Ich mache Filmprojekte mit Kindern. Zwei davon sind meine, aber genau das kann zum Problem werden, wenn man versucht professionell Projekte umzusetzen. Teil Zwei meines Blogposts über Kreativität mit Kindern.
In Teil eins habe ich gestanden, dass ich Filmfan bin und ich gerne Geschichten erzähle – nicht zwangsläufig auf Papier. Ich habe von meinem allerersten Musikvideo erzählt „Warrior“ und wie es sich mit Kindern und Kämpfen verhält. Bitte lies zuerst den ersten Teil, wenn Du das noch nicht getan hast, sonst könnte Dich dieser zweite Teil des Artikels verwirren.
Projekt #02: „Meerjungfrauen“
Zwischen „Warrior“ (dem ersten Projekt) und den „Agenten“ (das letzte Projekt), lag der Versuch mit den „Hauskindern“ ein zweites Videoprojekt auf die Beine zu stellen. Natürlich hatten meine Kids unser gemeinsames Werk bei Popcorn im Heimkino vorgeführt – mit gemischten Reaktionen zwar, aber vielen Fragen. Eine davon lautete: „Darf ich auch mal mitmachen.“ Der Aussicht, selbst im Rampenlicht zu stehen, konnte keines der „Hauskinder“ widerstehen.
Das Projekt scheiterte aus dem Grund schon in der Konzeptionsphase: Wir hatten weder einen Wassertank, noch einen See vor der Haustür und erst recht keine Unterwasserkamera, um einen Film mit Meerjungfrauen drehen zu können. Mein Sohn wäre begeistert gewesen, wenn er den Bösen hätte spielen dürfen. Er erkannte aber recht schnell, dass er gegen drei unbesiegbare Meerjungfrauen nicht gut aussehen würde.
Die drei Mädchen der Hauskinder-Gruppe waren nicht bereit, jemand anderes zu spielen, als sich selbst. Mir fehlte damals das Know-How, um sie abzuholen und mit dem Konkurrenzkampf zwischen ihnen umzugehen. Jede wollte das Rampenlicht für sich alleine – verständlich.
Außerdem ist es irrsinnig schwer an einem Ort zu arbeiten, an dem man wohnt – und dieses Problem kam gleich „hoch fünf“ zu tragen. Unter Umständen hätte die Gruppe mit einer anderen Leitung und unter einem anderen Ort funktioniert. Möglicherweise wäre die Erfahrung, an so einem Projekt zu arbeiten, sogar heilsam für die Mädchen gewesen. Ab da habe ich dann umgedacht: Es reicht nicht den Gruppengeist zu beschwören und alle vertragen sich – auch nicht für das gemeinsame große Ganze.
Nach dem Versuch mit den „Hauskindern“ entschied ich mich für die Ausbildung zum diplomierten Sozialpädagogen. Bitte nicht falsch verstehen: Nicht die Videoprojekte waren der Grund für die Entscheidung. Ich befand mich nach meiner Selbstständigkeit in einer Umorientierungsphase und das Meerjungfrauen-Videoprojekt war da eine Randerscheinung.
Wie ernst ist es denn?
Erst ein halbes Jahr nach dem Versuch mit den „Meerjungfrauen“, dachte ich über den Ursprung meiner Idee nach und versuchte herauszufinden, in welchem Verhältnis die Videoprojekte zu meinen Kindern stehen. Es ist wichtig darüber Bescheid zu wissen, was einen innerlich treibt. Vor allem, wenn man Initiator*in und Projektleitung in einem ist. Die Einstellung beeinflusst nämlich das Ergebnis des Projekts wesentlich. Dazu nehme ich mich mal an der Nase und hole in der folgenden Abschweifung aus, um diese Frage anhand von Kinderstars zu klären.
Viele Menschen bewundern die talentierten Kinder auf den diversen Bühnen im Internet oder Fernsehen – mir war das schon immer suspekt. Als Kind jedoch aus anderen Gründen. Der Optimist in mir ist gerne bereit zu glauben, dass diese Kinder ein glückliches Leben führen. Was viele nicht bedenken ist, dass es sich bei Kinderstars eher um Ausnahmen handelt. Nicht jedes Kind, das da um die Ecke läuft, folgt dem Lebensweg, der es auf ein Weltpublikum zuführt. Theoretisch wäre es möglich, es wäre vielleicht nicht einmal schwer für das Kind, aber erwarten kann man es nicht.
Das andere Extrem sind die Eltern, die Talent für göttergegeben oder eine Mär halten und für die alles austauschbar ist. Das sind zwar leichtfertig verspielte Chancen, aber wenigstens sind die Eltern nicht in Versuchung geführt, den Erfolg erzwingen zu wollen. Zum Beispiel mit dem „Du-musst-nur-hart-genug-arbeiten“-Ansatz.
Mit unausgesprochenen Erwartungen, oder überzogener Professionalität kommt man genauso wenig weiter wie mit einem fehlenden Ziel oder einem fehlenden Konzept. Wenn man einen gesunden Zugang zu Arbeit hat, ist man in der Lage, Spaß und Freude an seinem Talent zu haben und kann dieselbe Kraft investieren, wie in ein kommerzielles Projekt. Mir sind viele Menschen begegnet, die eine Tätigkeit, mit der man Geld verdient, unvereinbar mit einer Tätigkeit halten, mit der man Spaß hat.
Ein Ausweg aus der Sichtweise wäre zum Beispiel, Kunst nicht als Produkt zu sehen, obwohl einerseits Arbeit investiert wurde, es auf der anderen Seite aber keinen Wert besitzt, der unabhängig davon, durch ein Preisschild definiert wurde. Ich weiß, es ist kompliziert. Es wird aber noch komplizierter, wenn man Kunst und Kinder zusammen bringt.
Nicht nur Kunst muss ernst genommen werden, wenn man mit Kindern kreativ ist, sondern auch die Kinder. Mir fällt das einfach, da ich irgendwann gesagt bekommen habe, dass (meine) Kinder, wenn sie spielen, arbeiten. Und wenn sie malen, „arbeiten“ sie mit dem „Material“, z.B. den Buntstiften. Dass es sich dabei um tatsächliche Arbeit handelt, beweist die Müdigkeit später am Tag.
Also ja, wir arbeiten hier, wenn wir versuchen einen Film auf die Beine zu stellen. Wir machen das, weil es uns Spaß macht und es ist okay, dass der Streifen dann nicht in der Primetime läuft. Was nicht heißt, dass der Arbeit an dem Projekt keine hohe Priorität im Alltag der Beteiligen eingeräumt werden darf – außer, den Kindern ist etwas anderes wichtiger. Behalten wir das doch einfach mal im Hinterkopf, falls es im Diskurs wieder einmal um Systemrelevanz gehen sollte.
Sind meine Kinder nicht einfach nur Projektionsfläche für meine Wünsche?
Kinder sind unbeschriebene Blätter, die sich als wandelnde Kopierstationen alles erdenkliche zu Eigen machen. Die Wut auf das Kind, die man als Eltern oftmals verspürt, ist in Wirklichkeit die Wut auf seine Unzulänglichkeiten als Erwachsener. Wehe dem, der das nicht ertragen kann. Wehe dem, der das im Bezug auf seinen Stolz, seine Wünsche und seine Lebensziele nicht (auch) erkennen kann. Für den wird das Kind zur Projektionsfläche, hinter dem der eigentliche Mensch, den das Kind darstellt, verschwindet.
Der setzt der Papa seinen kleinen Sohn auf eine Kindermotocross-Maschine und glaubt, seinem Sohn einen Wunsch erfüllt zu haben. Die Annahme des Papas beschäftigt mich immer wieder und stellt mich vor die Frage, wie egoistisch Eltern sind: Wieviel von dem was Eltern für ihre Kinder zu tun glauben, tun sie in Wirklichkeit für sich selbst?
Stereotype Bilder vom Elternsein tauchen da vor meinem geistigen Auge auf, die in Wirklichkeit nur Kulissen für meine eigene düstere Kindheit der 80ger Jahre sind. Ich habe diesen Konflikt in mir so weit bearbeitet, dass ich mir die Frage stelle, warum ich ein schlechtes Gewissen habe, nur wenn ich mit meinen Kids etwas mache, das mir gefällt und von dem ich denke, dass sie ebenfalls von dieser Beschäftigung profitieren. Ja, primär wollen Kinder Zeit mit ihren Eltern verbringen und wenn es sein muss, dann setzen sie sich dafür auch auf eine Motocross. Auf den Punkt werde ich später, wo es um das Konzept geht, noch mal zurückkommen.
Das sind Problem, wenn man sich einer Gruppe von Kindern gegenüber sieht, in der auch das eigene Kind mit dabei ist – irritierend auch für das Kind. Und darum nicht Teil einer professionellen Praxis. Als mich meine Kinder fragten, ob ihre Freund*innen bei unserem nächsten Projekt mit dabei sein dürften, dachte ich an diesen Zwiespalt zuerst. … und dann die Gefahr von an dem Projekt zerbrochenen Freundschaften.
In Teil Drei (hier entlang) dieser Artikelreihe widme ich mich dem aktuellsten Projekt mit dem simplen Arbeitstitel „Agenten“. Nach meinen ganzen philosophischen Betrachtungen wird es nun praktisch. Ich zeige Dir mein Konzept, wie gut es dem Alltag standgehalten hat, und wie man mit Kindern auch ohne ein Drehbuch einen Film drehen kann. Zum Schluss des Finales gibt es noch einen Ausblick in die Zukunft.