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Das Filmprojekt: Teil #01 Nicht zur Vorführung in der Öffentlichkeit bestimmt

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Aus einer spontanen Idee von vor drei Jahren wird über die Zeit ein (noch?) experimentelles Projekt.

Vor drei Jahren habe ich mit meinen beiden Kindern ein Musikvideo gedreht, um ihnen zu zeigen, wie Filme gemacht werden. Aber Bilder, die ein Musikstück begleiten, sind kein richtiger Film. Filme erzählen eine Geschichte – und genau an dem Punkt ist die Sache eskaliert.

Eine Artikelserie in drei Teilen.

Wenn Leute zwei Dinge von mir wissen, dann ist das entweder: Ich laufe ständig mit einem Fotoapparat herum, oder ich schreibe Romane, die nie fertig werden. Und: ich kleide mich dauernd in Schwarz – die drei Optionen dürfen frei kombiniert werden. Fotos können genauso Geschichten erzählen und meine Romane werden deswegen nicht fertig, weil ich mich dauernd von Projektideen ablenken lasse. Seit ich Kinder habe, ist das besonders schlimm. Zum einen, weil Kinder ein Projekt für sich sind, zum anderen, weil mich Kinder auf Ideen bringen.

Und auf einmal sitzt man da, schaut den Abspann seines Filmes, in dem zu lesen ist: „Bei den Dreharbeiten zu diesem Film wurden nur Papas verletzt“ und „Nicht zur Vorführung in der Öffentlichkeit bestimmt!“, und wartet auf die Reaktionen seiner Schwiegereltern.

Aber, um was soll es hier nun gehen?

Still aus „Warrior“

Um meinen Wunsch, Kindern das Potential von Geschichten näher zu bringen. Um was es nicht geht: Profi-Equipment und Expert*innen-Crews, aber um meine Reflexion auf dem Weg zum Abschluss meines ersten Hinterhof-Projekts. Vergleicht mich mit einem verrückten Dad, der im Garten eine Achterbahn aus Metallresten zusammenschweißt.

Und für wen? Natürlich für die Musen.

Das Beste aus dem machen, was man hat, dort, wo man ist

… halte ich für einen guten Ansatz, wenn man Kindern zeigen möchte „wie Film geht“. Erst recht, wenn man selbst Interesse und Spaß an dem Thema hat. Theater und Film sind Magie. Für mich darf das Augenzwinkern des Bühnenmagiers durch den Weltenbau in meinem Kopf ersetzt werden. Auch wenn das bedeutet, dem Zitat oben folgend, dass das Filmmonster aus bemalter Pappe besteht und die visuellen Effekte auf geschickte Schnitte reduziert sind. Welche Geschichte erzähle ich wie? Was muss ich tun, damit mir die Betrachterin in den Kaninchenbau folgt? Diese Aspekte faszinieren mich am meisten und das will ich vermitteln.

Das Theater halte ich im Zusammenhang von Kindern und Film als wichtiges Werkzeug. Den heranwachsenden Schauspieler*innen fehlt vor der Kamera das Publikum, weswegen sie erst ein Bewusstsein für die Betrachter*innen entwickeln müssen. Und mir fehlen Geld und Zeit für teure Effekte, weswegen die Schauspieler*innen Situationen ausspielen müssen, die durch visuelle Effekte schneller erklärt worden wären. Mein Verständnis von Hinterhof-Filmen ähnelt deswegen eher einem Theaterstück mit Kamera. Wobei die Kamera als weitere Schauspielerin verstanden werden kann.

An der Stelle könnte ich der geneigten Leserschaft einfach ein YouTube-Video einbinden, um das Ergebnis meiner Experimente zu präsentieren. Du kannst Dir vielleicht denken, warum ich das doch nicht tue. Richtig, ich muss und will die Privatsphäre der Kids so lange wie möglich und so gut wie möglich schützen. Bildverarbeitende biometrische Algorithmen durchziehen sämtliche Plattformen, oftmals ohne das Bewusstsein oder gar der Zustimmung der Nutzer*innen. Das heißt für mich: keine Cloud-Dienste (Baba, Adobe!), keine Weitergabe über Freigaben (Tschüss, Google und Apple), keine lustigen Produktions-Bildchen an Verwandte oder Elternteile (Farewell, WhatsApp und Telegram). Auch kam ich noch nie in Verlegenheit, das Video auf einem Datenträger weitergeben zu müssen. Vorführungen finden nur auf den eigenen Geräten statt. Schließlich führt auch der Achterbahn­-Dad die Schweißnähte seiner Bahn ein wenig dicker aus als nötig – nur zur Sicherheit.

Du musst also mit den Beschreibungen der Projekte vorlieb nehmen und mir vertrauen, wenn ich verspreche, Dich nicht zu langweilen. Ab hier bewege ich mich chronologisch durch meine drei Versuche und schweife an verschiedenen Stellen ab, um einzelne Aspekte näher zu beleuchten.

Projekt #01: „Warrior“

An nur einem Wochenende hatten die Kids, Elaria und ich den Dreh durchgezogen. Die Kulissen waren unser Garten mit seiner ikonischen blauen Rutsche und ein nahegelegener Wald. Zwei Tage Vorbereitung, plus zwei Tage Proben hatte die Produktion gedauert. Danach saß ich eine Woche am Schnitt. Herausgekommen ist ein Musikvideo zu einem 15-minütigem Stück namens „Warrior“ von Anilah, das wir gemeinsam ausgesucht hatten. Meine beiden Kinder wollten unbedingt kämpfen – allen voran mein Sohn.

Niemand fühlt sich unterhalten, wenn Menschen des Kampfes wegen kämpfen – außer Martial-Art-Fans und Kinder. Kinder aber auch nur dann, wenn sie selber kämpfen. Für das übrige Publikum wird es erst spannend, wenn etwas auf dem Spiel steht. Das Gefühl, eine runde Geschichte erlebt zu haben, stellt sich erst ein, wenn am Ende des Kampfes der Drache befreit und sein Peiniger bestraft ist. Das Gefühl einer Genugtuung entsteht nur dann, wenn der / die Held*in alles in Bewegung gesetzt und schlussendlich triumphiert hat. Das Motiv der Rache kommt bei Kindern erst mit dem Erwachsenwerden. „Wenn du den Kampf verlierst, bist du erst mal tot“, mein Sohn sah mich fragend an. „Ja, wirklich“. Das war vor drei Jahren. Kampf ohne Einsatz, ist wie ein Handlung ohne Konsequenz.

Ich verliere einen Kampf
Still aus „Warrior“ – Wenn du einen Kampf verlierst, bist du erst mal tot.“

Konsequenzen versuchen wir unseren Kindern meistens zu ersparen. Entweder, indem wir sie daran hindern die Erfahrung überhaupt machen zu können (klettern verboten). Oder, indem wir ihnen die Konsequenzen abnehmen (kein Problem, ich hole dich ab). Die Gründe dafür sind vielfältig, wichtiger ist, dass unsere aktuellen oft konsequenzlosen Geschichten eine gute Metapher für dieses Phänomen sind. Wer ist schon in der Lage seine Grenzen zu erkennen, wenn er oder sie vom Erreichen derselben abgehalten wird?

Im zweiten Teil (hier entlang) wird es um den zweiten Versuch eines Videoprojekts gehen und um den Grund, warum es gescheitert ist. Diesmal werde ich auch gehörig abschweifen und mir die Frage stellen, ob Kinder nicht einfach nur die Projektionsflächen ihrer Eltern sind und was meine Erkenntnisse aus der Beantwortung dieser Frage mit meiner Idee für diese Projekte zu tun hat.

von JamesVermont
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JamesVermont aus Klagenfurt am Wörthersee ist Gestalter, Autor, Trommler und Vater 2er Kinder.

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