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Was heißt eigentlich „eingelebt“?

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Ich wurde in den letzten beiden Monaten immer wieder gefragt, ob ich mich schon eingelebt hätte. Zwar weiß ich, was mit der Frage gemeint ist, aber einerseits habe ich mich das selber noch nie gefragt, und andererseits, was bedeutet die Frage für mich? Man helfe mir bitte beim Denken.

Rückblickend betrachtet, bin ich doch sehr überstürzt aus Kärnten aufgebrochen. Da war der fiese Hexenschuss, der mich in der Vorbereitung für eine Woche lahm gelegt hat und dann war da die fiese Vermieterin, die meine Pläne durchkreuzt hat. Die Abschiedsparty ist ausgefallen, was mir im Herzen weh tut, und ich habe mich nur bei halb so vielen Leuten verabschieden können, wie erhofft. Glücklich ins neue Heim aufbrechen, sieht für mich anders aus.

Freistädter Bier
Frisch eingezogen: Man muss eben Prioritäten setzen!

Im neuen Heim schließlich, hab mich mit dem Unterbringen von Kisten befasst und Möbelhäuser verflucht (leidenschaftlich und mehrmals). Ich hab mich mit Schulkram befasst, mit meinen Kindern – denen der Schulkram gehört, und den Schulen, die wollen, dass Elaria und ich das alles bezahlen. Darauf folgte eine kurze Jobsuche und schließlich der erste Monat im neuen Job. Selbst der Aufbruch in ein neues Arbeitsleben war überschattet von Unsicherheiten und einem flauen Gefühl im Magen – letzteres bis heute anhaltend, obwohl mir mein Job gefällt.

Dazwischen lediglich kurze Telefonate mit Freunden, weil die Zeiten hektisch sind. Die Suche nach einem trockenen Plätzchen zum Sinnieren, Erfahrungen in der Navigation mit Komoot (weil ich keinen Plan von Linz habe) und weiteren Möbelhausbesuchen. Aber es ist nicht alles schlecht: Da gibt es geniale Menschen auf willhaben.at, die mir ihre gebrauchten Möbel nicht nur verkaufen, sondern auch noch bringen. Nicht zu vergessen, meine genussvolle Verirrungen im Wald, die mich nach drei Jahren, in denen ich nur am Funktionieren war, zurück zu meiner Spiritualität bringen.

Eine Kröte sitzt vor einer Eingangstür

Was mich vor diesen Unsicherheiten rettet, sind die Musik und die Schreiberei (auf die Rolle meiner Kinder komme ich später noch mal zu sprechen). Über Letzteres, die Schreiberei, kann ich ankündigen, bald mehr davon zu berichten. Und zu Ersterem, der Musik, lasse ich mir von den geliebten Lesoir die Frage stellen: „Is this it?“ Habe ich, was ich wollte? Nach all dem „muss“ ich doch glücklich sein. Jobtechnisch ist mein Plan voll aufgegangen – danke der Nachfrage. Aber Leute, ihr kennt mich! Ich bin nicht fucking Disney!

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Ich würde es für normal halten, dass es nach einer epischen Party, die lange und gut geplant wurde – und nach all den Prüfungen empfinde ich es als solche – der große Durchhänger kommt. Jetzt ist die Zeit durchzuschnaufen, um sich danach neu auszurichten. So betrachtet, ist alles im grünen Bereich. Trotzdem behagt es mir nicht, die Frage nach dem „eingelebt sein“ nicht ausreichend beantworten zu können. Vielleicht bin ich mir gegenüber zu ungeduldig? Machen wir doch eine schnelle Frage/Antwort-Runde:

Wohne ich schon?

Heute werden die vorletzten Möbel aufgebaut und es fehlt noch ein bisserl was, also Nein.

Weiß ich in meiner Gegend, wo alles ist?

Nein, aber ich verlaufe mich seltener.

Fühle ich mich verbunden?

Ich lebe zwischen dem Mühlviertel und der Donau. Es gibt Felsen, Buchen und Nebel. Und so ein großer träge dahinfließender Strom, hat etwas Tröstliches. Also ein erstes JA.

Ein Buchenwald, durch dessen Blätterdach die Sonne scheint
Es gibt, buchen, Felsen und Nebel – was will man mehr?

Fühle ich mich nicht mehr „fremd“?

Derzeit fühle ich mich als „nicht dazu gehörig“. Gut, in meinem Job werde ich akzeptiert und vereinzelt auch gemocht, aber es ist Teil meines Jobs, dass es so ist. Dass die Mentalität hier eine andere ist, habe ich bewusst in Kauf genommen. Bloß trifft mich, wie in meiner alten Heimat, das Problem, dass ich zwischen Stadt und Land lebe. Im Speckgürtel weht wohl immer ein leichter Hauch von asozialem Verhalten.

Fühle ich mich „zuhause“?

Seit ich hier eingezogen bin, war ich nie mehr weg, deswegen kenne ich das Gefühl noch nicht, wieder nach Hause zu kommen. Glücklich in meinen vier Wänden bin ich definitiv und ich fühle mich auch wohl. Der Wermutstropfen sind aber erstens die Gasheizung, zweitens die 217 Euro, die ich dafür bezahlen muss und Drittens, die komplett visionslose Wohnbaugenossenschaft, die nicht einmal daran denkt, an diesem Zustand etwas zu verändern. Der Markt wird das schon regeln.

Habe ich schon neue Freunde gefunden?

Nein. Zwar gebe ich mir Mühe in meiner näheren Umgebung bekannt zu sein, doch irgendwohin zu gehen, wo man potentiell auf normale Leute treffen könnte, überfordert mich derzeit. Was ich versucht habe war, mich mit den beiden Menschen, die ich in OÖ vom Netz her kenne zu treffen. Oft ist das „ich müsste ja nur“, total schwierig. Die Situation mich auf neue Menschen einzulassen überfordert mich zur Zeit.

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Bin ich einsam?

Ja und Nein. Was ich glaube ist, dass der Aufwand, den eine erwachse Person treiben muss, um Freunde zu treffen enorm viel größer ist, als der eines jungen Erwachsenen. Denke ich an meine spätere Teenager-Zeit zurück, habe ich mir ums Freunde treffen nie einen Gedanken gemacht. Das hat einfach funktioniert. Jetzt bin ich zusätzlich zu meiner Teilzeit-Alleinerzieherschaft auch noch Vollzeit berufstätig. Dann kommt es schon mal zu Situationen, in denen die Kinder bei Elaria sind, ich mir aber keine Freizeitaktivität organisiert habe. Und dann tue ich mir ein wenig selber leid. Was hilft sind Telefonate, Streamingevents und meine Schreibgruppe.

Hab ich Heimweh nach Kärnten?

Nein. Es gibt Vieles, das mir an Kärnten missfallen hat. Klar, geht mir der Vibe in OÖ manchmal auf die Nerven, aber er motiviert mich mehr, als es das Getragene/Melancholische in Kärnten. Traurig macht mich, dass die Kinder öfter Heimweh haben, es aber aus Rücksicht auf mich nicht zugeben wollen. Ich habe selber oft genug die Schule und den Wohnort gewechselt, um zu verstehen, was sie durchmachen. Anders als meinem damaligen Ich, gelingt es ihnen, Kontakt zu ihren Freund:innen zu halten. In der Zwischenzeit waren die Kids zwei Mal in Kärnten und ich werde es ihnen auch weiterhin ermöglichen.

Es verunsichert mich, dass die Kinder unglücklich sind und noch mehr verunsichert es mich, dass andere mir nahestehender Menschen meine Entscheidung umzuziehen nicht verstehen können. Dabei ist eines meiner tiefsten Bedürfnisse, verstanden zu werden. Und wenn dann auch noch Elaria um die Ecke kommt und feststellt, dass die jetzige Arbeits- und Wohnsituation im Vergleich zu „Kärnten“ immer noch nicht optimal ist, dann würde ich am liebsten groß und grün werden und die Hood smashen.

Nachdem eben Halloween war und ich als brave Hexe meine Jahreskreis-Karten-Legeung absolviert habe, bin ich mir bewusst, dass meine Reise noch nicht zu Ende ist. Auch wenn es aktuell klemmt, wirds das nicht gewesen sein und wer sagt, dass immer alles so bleiben muss, wie es ist. Gut reflektiert, offen und wach für Möglichkeiten zu sein wird meine persönliche Aufgabe, dieses Jahr. Schon alleine aus dem Grund zu vermeiden mir selbst im Weg zu stehen. Ich schnaufe mal durch, halte meinen Schnabel in den Wind und suche mir ein neues Ziel.

Und wenn ihr eine Antwort auf die Frage habt, woran man erkennt, dass man sich eingelebt hat, dann nur her damit.

von JamesVermont
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JamesVermont aus Klagenfurt am Wörthersee ist Gestalter, Autor, Trommler und Vater 2er Kinder.

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